Fibromyalgie: Rente wegen Erwerbsminderung

Viele Menschen mit Fibromyalgie kommen leider irgendwann in die Situation, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr Arbeiten gehen können. Für Betroffene ist dies meist mit großen finanziellen Einschnitten verbunden, schließlich fällt üblicherweise ein ganzes Einkommen weg. In Form der sogenannten Erwerbsminderungsrente stellt der Staat eine Möglichkeit zur Verfügung, um diese Verluste einigermaßen wieder auszugleichen. Der Weg in die Rente wegen Erwerbsminderung ist allerdings gar nicht so einfach. Wir erklären, worauf es ankommt und warum viele Anträge abgelehnt werden.

Erwerbsminderungsrente bei Fibromyalgie

Viele Fibromyalgie-Patienten erleiden durch ihre Krankheit solch starke Beeinträchtigungen in ihrem Alltag, dass sie irgendwann keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen können. Der Verlust des Arbeitseinkommens ist für die Betroffenen immer wieder ein großes Problem, denn es stellt sich dann für gewöhnlich die Frage, wie der Lebensunterhalt in Zukunft weiter finanziert werden soll. Die Rente wegen Erwerbsminderung, die der Staat zum 1.1.2001 in überarbeiteter Form eingeführt hat, kann eine Antwort auf diese Frage sein. Zumindest für alle, die vorher in die Rentenkasse eingezahlt haben.

Wer hat Anspruch?

Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung steht laut § 431) des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) eine Rente wegen Erwerbsminderung zu, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr arbeiten können. Dazu müssen allerdings die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Der Rentenbezieher muss nachweislich weniger als sechs (bzw. drei) Stunden täglich in irgendeinen Beruf arbeiten können. Wichtig zu wissen: Der erlernte oder bisher ausgeübte Beruf spielt hier keine Rolle. Es darf sozusagen gar keinen Beruf geben, der für mehr als sechs (bzw. drei) Stunden täglich ausgeübt werden könnte.
  2. Der Rentenbezieher hat schon mindestens fünf Jahre lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Wichtig zu wissen: Dies muss nicht in den letzten fünf Jahren gewesen sein und die Beiträge müssen nicht für fünf Jahre am Stück eingezahlt worden sein.
  3. Der Rentenbezieher muss in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre lang Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Wichtig zu wissen: Auch hier müssen die drei Beitragsjahre nicht zusammenhängend an einem Stück zustandegekommen sein.

Achtung: Im SGB VI wird anhand der noch möglichen täglichen Arbeitszeit zwischen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und Rente wegen voller Erwerbsminderung unterschieden. Nur wer nachweislich maximal drei Stunden täglich in irgendeinem Beruf arbeiten kann, hat Anspruch auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Wer hingegen zwischen drei und sechs Stunden täglich in irgendeinem Beruf arbeiten kann, hat laut Gesetz lediglich Anspruch auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Die täglich mögliche Arbeitszeit ist in der Praxis vor allem für die Höhe der Rente wichtig. Denn nur wer Anspruch auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung hat, bekommt auch die volle Rente ausgezahlt. Der Gesetzgeber geht in diesem Fall davon aus, dass der Rentenbezieher überhaupt nicht mehr arbeiten kann. Liegt hingegen nur eine teilweise Erwerbsminderung vor, geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Rentenbezieher noch in Teilzeit arbeiten kann und dies auch tut. Somit bezahlt die Rentenversicherung auch nur die halbe Rente.

Wie hoch ist die Rente?

Wie hoch die Erwerbsminderungsrente bei Fibromyalgie ausfällt, ist individuell unterschiedlich und von verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel dem Alter oder den bisher eingezahlten Rentenbeiträgen, abhängig. Die genaue Berechnung der Rentenhöhe ist relativ kompliziert. Angaben diesbezüglich finden sich in der Renteninformation2), die die Deutsche Rentenversicherung einmal jährlich automatisch an ihre Mitglieder über 27 Jahren verschickt. Dort ist auch die persönliche Rentenhöhe im Falle einer Erwerbsminderung angegeben.

Als grobe Faustregel kann man sagen, dass die volle Rente in etwa in einem Bereich liegt, der der Hälfte des bisherigen Netto-Einkommens entspricht. Bei der halben Rente liegt der Bereich folglich lediglich bei etwa einem Viertel des bisherigen Netto-Einkommens. In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass im Jahr 2019 in Deutschland die durchschnittlich gezahlte Erwerbsminderungsrente bei etwas unter 800 Euro3) lag.

Die Rente wegen Erwerbsminderung kann das bisherige Arbeitseinkommen in der Höhe normalerweise also nicht ersetzen. Eine eventuell vorhandene private Berufsunfähigkeitsversicherung kann dabei helfen, die Differenz auszugleichen. Wenn das Geld am Ende nicht ausreicht, besteht zudem die Möglichkeit, dass ein Anspruch auf Grundsicherung wegen Erwerbsminderung4) besteht.

Wie lange wird Erwerbsminderungsrente bezahlt?

Im Gegensatz zur Altersrente wird die Erwerbsminderungsrente üblicherweise nur für einen gewissen Zeitraum bewilligt5). Dieser Zeitraum darf längstens drei Jahre betragen. Bestehen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen danach weiterhin fort, muss rechtzeitig ein Antrag auf Verlängerung gestellt werden. Erst nach neun Jahren befristeten Bezug wird die Erwerbsminderungsrente dauerhaft bewilligt.

In Ausnahmefällen – wenn absehbar ist, dass die Arbeitsunfähigkeit dauerhaft bestehen bleiben wird – kann eine dauerhafte Bewilligung auch schon früher erfolgen. Dies ist bei Fibromyalgie aufgrund der komplexen und häufig wechselnden Symptomatik und des Verlaufs in Schüben allerdings schwierig. Es gilt zudem auch der umgekehrte Fall. Eine Erwerbsminderungsrente kann auch wieder aberkannt werden. Zum Beispiel wenn eine gesundheitliche Besserung eintritt und die Arbeitsunfähigkeit dadurch nicht mehr besteht.

Besonderheiten für Selbständige

Selbständige, die keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, haben auch mit Fibromyalgie leider keinen Anspruch auf die gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Für Selbständige, die im Rahmen einer Pflichtmitgliedschaft6) Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zahlen, gelten hingegen dieselben Voraussetzungen wie für normale Arbeitnehmer. Selbständige können zudem auch jederzeit freiwillig Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung werden und auf diesm Weg Ansprüche erwerben.

Welche Chancen bestehen auf die Bewilligung einer Rente?

Die Chancen, mit Fibromyalgie eine Rente wegen Erwerbsminderung direkt bewilligt zu bekommen, stehen erfahrungsgemäß leider relativ schlecht. Sozialverbände gehen davon aus, dass über 80 Prozent aller Erstanträge von Fibromyalgie-Patienten abgelehnt werden. Der Grund dafür ist, dass die Betroffenen oftmals relativ wenig „Handfestes“ von ihren Ärzten bezüglich ihrer Krankheit vorweisen können. Dadurch ist es für sie schwierig, ihre Beeinträchtigungen ausreichend nachzuweisen. Und darauf kommt es letztendlich an.

Die Diagnose Fibromyalgie allein reicht meist nicht

Etwaige Diagnosen sind bei der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente stattdessen eher von nachrangiger Bedeutung. Das gilt insbesondere auch bei Fibromyalgie, wie verschiedene Gerichtsurteile belegen. Damit ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente genehmigt wird, muss vor allem der erhebliche Leidensdruck und die dauerhaft vorhandenen starken Beeinträchtigungen durch die Fibromyalgie beim Arbeiten zwingend nachgewiesen werden.

Fibromyalgie-Patienten können sich derzeit allerdings nicht auf irgendwelche positiven Testergebnisse oder allgemein anerkannte Laborwert-Befunde von Ärzten berufen. Ihre Symptomatik ist somit objektiv schwer feststellbar. Dadurch ist es nicht immer einfach, die Erkrankung und vor allem auch die Schwere der Beeinträchtigung zu belegen. Am besten gelingt dies, wenn man nachweisen kann, dass man diverse Therapiemöglichkeiten ohne Erfolg versucht hat.

Wer also eventuelle Behandlungen durch Orthopäde, Neurologe, Rheumatologe, Psychologe oder sogar eventuelle Reha-Klinik-Aufenthalte hinter sich hat und belegen kann, dass er aufgrund der Beeinträchtigungen trotzdem noch arbeitsunfähig ist, hat relativ gute Aussichten auf eine Bewilligung. Die Chancen erhöhen sich zudem weiter, wenn der Antragsteller noch an zusätzlichen Krankheiten leidet, die sich ebenfalls negativ auf die Arbeitsfähigkeit auswirken.

Tipps für den Fall, dass der Rentenantrag abgelehnt wurde

Wenn der Rentenantrag abgelehnt wird, ist das gerade für chronisch kranke Menschen oft erst einmal wie ein Schlag ins Gesicht. Viele Betroffene haben durch ihre Krankheit ohnehin schon zu kämpfen und eine solche – oftmals als ungerechtfertigt wahrgenommene – Entscheidung macht die Situation natürlich nicht besser. Fibromyalgie-Patienten sollten dennoch nicht gleich verzweifeln und direkt aufgeben.

Unbedingt rechtzeitig Widerspruch einlegen

Stattdessen sollte innerhalb der angegebenen Frist von einem Monat Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt werden. Der Hintergrund ist der folgende: Um Missbrauch zu vermeiden, ist das System der Erwerbsminderungsrente so ausgelegt, dass nur diejenigen eine Rente bewilligt bekommen, die aus gesundheitlichen Gründen auch tatsächlich nicht mehr arbeiten können. Die Rentenanträge werden also entsprechend streng überprüft.

Dadurch kann es allerdings schon einmal vorkommen, dass auch „grenzwertige“ Anträge abgelehnt werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Sachlage nicht ganz eindeutig war oder die Nachweise „etwas dünn“ erschienen. Auch einfache Formfehler können zu einer Ablehnung führen. Durch einen Widerspruch wird der Rentenantrag der Widerspruchsstelle zur erneuten Prüfung vorgelegt. Dies hat zum einen den Vorteil, dass die Prüfer nun andere sind. Schon allein aus diesem Grund kann sich auch eine andere Entscheidung ergeben.

Zum anderen hat der Antragssteller im Rahmen des Widerspruchs aber auch die Möglichkeit, seinen Antrag zu erweitern und zum Beispiel weitere Nachweise einzureichen. In vielen Fällen reicht das bereits aus und dem Widerspruch wird stattgegeben. Die Rente wird also doch noch bewilligt.

Im Zweifelsfall Klage einreichen

Falls der Widerspruch allerdings abgelehnt wird, bleibt nur noch eine Klage vor dem Sozialgericht. Diese ist zunächst einmal kostenlos und theoretisch auch ohne juristischen Beistand möglich. Es empfiehlt sich allerdings immer, einen entsprechenden Fachanwalt mit Erfahrung auf dem Gebiet einzuschalten. Im Falle eines Erfolgs vor Gericht müssen die durch die Klage verursachten Anwaltskosten in der Regel von der Gegenseite erstattet werden.

Eine kostengünstige Alternative zum Anwalt sind die verschiedenen Sozialverbände Deutschlands. Die Sozialverbände beraten ihre Mitglieder kostenlos auch in sozialrechtlichen Fragen und vertreten diese auf Anfrage sogar vor Gericht. Eine Mitgliedschaft in einem Sozialverband wie dem VDK kann auch noch kurzfristig erfolgen und kostet – je nach Bundesland unterschiedlich – monatlich etwa fünf bis zehn Euro.

Gutachter entscheidet häufig über Klageerfolg

Eine Klage vor dem Sozialgericht ist oftmals von Erfolg gekrönt. Das liegt daran, dass der Richter sein Urteil üblicherweise anhand von Experten-Gutachten fällt. Solche Gutachten sind häufig notwendig, um die medizinisch komplexen Sachverhalte richtig bewerten und einordnen zu können. Gerade bei Fibromyalgie geht das in der Regel nicht ohne Gutachten. Die Deutsche Rentenversicherung greift bei der Überprüfung des Rentenantrags allerdings zunächst einmal auf ihre eigenen Gutachter zurück.

Vor Gericht ist es hingegen üblich, dass unabhängige Gutachter herangezogen werden. Diese kommen mitunter zu anderen Ergebnissen als die Gutachter der Deutschen Rentenversicherung. Ist dies der Fall, folgt der Richter gewöhnlich den vom Gericht bestellten Gutachten und die Rente wird letztendlich doch noch bewilligt. Den Gutachtern kommt dadurch eine entscheidende Bedeutung für den Ausgang der Klage zu.

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Thomas Putz